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Anders Thomas Jensen
ADAMS ÄPFEL
Bühnenfassung von K.D. Schmidt

Premiere: 9. Mai 2009 TASCH 1

Fotos link

Besetzung:
Inszenierung -
Ausstattung -
Dramaturgie -

Inspizienz -
Regieassistenz -
Soufflage -
Uta Eisold
Marlis Knoblauch a.G.
Annelene Scherbaum

Ito Grabosch
Juliane Nowak
Bernd Kruse
ADAMS ÄPFEL

Darsteller:

Adam - Sascha Oliver Bauer | Ivan - Stefan Gille | Khaled - Daniel Sempf | Gunnar - Stefan Piskorz | Sarah - Franziska Knetsch | Poul - Thomas Streibig | Kolberg - Jürgen Helmut Keuchel | Christoffer - Johannes Grabowski a.G. / Phillip Reinhardt a.G. | Holger - Peter Meyer | Esben - Michael Köckritz | Jorgen - Alexander Pabst | Neonazis - Tobias Maurer / Tobias Köhler / Christian Finance a.G. | Arne - Christian Finance a.G. | Noller - Johannes Grabowski a.G. / Phillip Reinhardt a.G.



Stück:

Adam ist der Neuzugang in Ivans Oase der Nächstenliebe, in der der Pfarrer Sträflinge zu resozialisieren versucht. Seine derzeitigen Schäfchen sind neben dem gewalttätigen Neonazi Adam der Trinker und Vergewaltiger Gunnar und der arabische Tankstellenräuber Khalid.
Auf den ersten Blick ein überzeugter Gutmensch, begegnet Pfarrer Ivan allem und jedem mit unerschütterlichem Verständnis, auch dem rüden Verhalten seiner Schützlinge. Doch bald entpuppt sich seine Barmherzigkeit als Besessenheit, die keine Widerrede duldet. Während Gunnar und Khalid Auseinandersetzungen mit Ivan aus dem Weg gehen, stellt sich Adam der manischen Güte.


Pressestimmen:

Gießener Allgemeinen Zeitung

Die Früchte aus des Pfarrers Garten

Am Hessischen Landestheater Marburg hatte die Bühnenadaption »Adams Äpfel« nach dem dänischen Kultfilm Premiere

Es ist zurzeit in Mode, Filmstoffe für die Bühne zu adaptieren. Auch das Hessische Landestheater Marburg kann diesem Trend nicht widerstehen und zeigt seit Samstag »Adams Äpfel« nach dem dänischen Kultstreifen von Anders Thomas Jensen im Theater am Schwanhof. Doch eine Übertragung von der Leinwand auf die Rampe birgt seine Tücken. Im Film kann mit schnellen Schnitten und Überblendungen gearbeitet werden. In der Bühnenfassung reiht sich stattdessen eine kurze Szene an die andere, so dass die Geschichte nur äußerst mühsam ins Rollen kommt und sich die vielen kleinen Versatzsplitter nur langsam zu einem Mosaik formen.

Regisseurin Uta Eisold gelingt es nicht wirklich, alles zu einem befriedigenden Gesamtbild zusammenzufügen. Ihre Inszenierung findet nicht zu einem eigenen Rhythmus, zu knapp sind die Einstellungen, die immer wieder von lästigen Umbauten unterbrochen werden. Das behindert den Erzählfluss erheblich, auch wenn durch den untermalenden Einsatz von Musik die Übergänge durchaus ansprechend gestaltet werden.

Dabei verspricht das Bühnenbild von Marlis Knoblauch eine spannende Sichtweise. Sie hat mitten durch den Zuschauerraum einen Laufsteg gezogen, auf dem die erwünschten und unerwünschten Besucher zum Haus des Landpfarrers Ivan marschieren, der Menschen in schwierigen Situationen mit offenen Armen empfängt. Das andere Ende markiert ein Baum, genauer gesagt ein Apfelbaum, der direkt neben der Kirche steht, in der der Pfarrer zu seinen gestrandeten Schäfchen ermahnend zu predigen pflegt.

Das brüchige soziale Gefüge, das im Wesentlichen aus Wegschauen und Schönreden besteht, droht auseinanderzubrechen, als der Neonazi Adam auf Bewährung hier auftaucht. Sascha Oliver Bauer zeichnet äußerst glaubhaft diesen kahlköpfigen Aggressor, dessen Wut sich zunächst in Brutalität kanalisiert, der dann aber allmählich eine gewisse Sympathie für den Gutmenschen Ivan verspürt.

Adam ist es, der dem Verdrängungsmechanismus des Pfarrers gnadenlos auf die Schliche kommt. Stefan Gille verleiht diesem vom Leben gestraften Mann fast schon bedauernswerte naive Züge, der sich aus Eigenschutz lange Zeit weigert, sich der Wahrheit zu stellen.

Daniel Sempf kommt mit seinem Part als arabischer Terrorist, der mit Maschinengewehren Tankstellen überfällt, in passender Verkleidung gut zurecht, während sich Stefan Piskorz als aus dem Leim geratener Ex-Tennisspieler, der nun wie ein Rabe klaut, sichtlich quält. Zu dieser abgedrehten Wohngemeinschaft gesellt sich noch Franziska Knetsch als schwangere Alkoholikerin.

Gen Ende backt Adam tatsächlich einen Kuchen von den Äpfeln des Pfarrhofbaums, einen ganz kleinen nur. Die Premierengäste kamen in den köstlichen Genuss eines großen Stücks Apfelkuchen, den die Theaterfreunde zum Anlass passend spendierten.

Marion Schwarzmann



Oberhessische Presse

Es ist schon ein sehr spezieller Humor gefragt, um bei "Adams Äpfel" lachen zu können.

Denn Kindesmissbrauch, Alkoholismus, Schlägereien und ein spastisch gelähmtes Kind sind nicht lustig.

von Christine Krauskopf

Marburg. Vielleicht lag es an dem speziellen Witz des Autors, dass bei der Premiere von "Adams Äpfel" am Samstag Plätze leer blieben? Dabei bietet das Theaterstück unzählige Zugangsmöglichkeiten, es beruht auf dem gleichnamigen Kult-Kinofilm aus dem Jahr 2005 von Anders Thomas Jensen. Allein durch die Menge der Schicksalsschläge und auch der angerissenen Probleme spiegelt die Geschichte von der Resozialisierung des Neo-Nazis nicht das Leben, sondern bündelt wie ein Brennglas dessen Aspekte bis zur Absurdität. Übertreibung wirkt komisch. Aber ist es auch noch komisch, wenn der Neo-Nazi Adam den Pfarrer Ivan niederschlägt und ordentlich nachtritt? Wenn der Säufer Gunnar nach der Vergewaltigung pfeifend über die Bühne schlendert? Wenn Khalid eine Knarre nach der anderen aus dem Rucksack holt, als er den nächsten Überfall auf die Tanke vorbereitet? Oder der Arzt laut lachend erzählt, dass der Pfarrer und dessen Schwester als Kinder vom Vater "durchgerammelt" wurden. "Es gibt wohl kein menschliches Phänomen, das sich der Komik entzieht," sagt der Marburger Medienwissenschafter Professor Karl Prümm auf Anfrage der OP. Selbst der Tod könne komisch dargestellt werden. Grenzen liegen wohl beim Taktgefühl und auch in der Distanz. Als Charlie Chaplin 1940 Hitler in "Der große Diktator" vortrefflich karikierte, konnten längst nicht alle darüber lachen, erinnert Prümm. Und so war es auch am Samstag: Während sich die einen wunderbar amüsierten, schauten andere eher ratlos auf die Szenerie, die sich ihnen bot. Autor Jensen wurde 1972 geboren und ist Däne. Uta Eisold inszenierte das Stück in Marburg. Daniel Sempf gab als Taliban-Verschnitt Khalid schon mit seinem irren Blick und seinem struppigen Bart eine erstklassige Witzfigur ab, deren Wahnsinn er dann auch noch herrlich auf die Spitze trieb. Auch Stefan Piskorz hatte als Gunnar eine dankbare Rolle: Verharmlosung von Alkoholismus hin oder her - er torkelte auf der Bühne hin und her, dass es eine Wonne war. Und auch Helmut Keuchel als Arzt, der mit dröhnendem Lachen von Selbstmord und Kindesmissbrauch erzählt, gelang es ausgezeichnet, die Figur mit Leben zu füllen. Erheblich schwerer hatten es Sascha Oliver Bauer als Neo-Nazi Adam und Stefan Gille als Pastor Ivan, ihre Wandlungen darzustellen: Adam kommt in die Resozialisierungs-Land-WG des Pfarrers, schlägt und prügelt und will Nazi-Sprüche ablassen. Doch das und auch das Hitler-Porträt am Bett interessieren weder Ivan noch die anderen gescheiterten Existenzen in der seltsamen Gemeinschaft. Um wie viel wichtiger nehmen sie Adams Aufgabe, den Baum zu hüten, bis die Äpfel reif sind und dann einen Kuchen zu backen? Adam ist irritiert und irgendwann wohl auch fasziniert von so viel Gut-Sein. Der Kopf des Neo-Nazis scheint weit klarer als der des Pfarrers, der nur sieht, was er sehen will. Doch machen dessen Lebenslügen das Dasein nicht viel erträglicher? "Adams Äpfel" stellt konsequent die Absurdität des täglichen Lebens - freilich sehr überspitzt und mit höchst dramatischen Mittel - da. Wer von uns widmet nicht täglich der Wahl der Socken mehr Aufmerksamkeit als der Kinderarbeit in Indien oder der globalen Erderwärmung? Jeder muss wohl seinen Weg durch diese Realität finden, die so absurd ist, wie es sich kein Autor ausdenken kann. Was wichtig ist, wirkt nach "Adams Äpfel" schon noch einen Tick willkürlicher. Die nächsten Aufführung von "Adams Äpfel" beginnt heute um 20 Uhr im Theater am Schwanhof.



Marburger Neue Zeitung

Pfarrer steckt Schläge ein

„Adams Äpfel“ feiert im Theater Am Schwanhof Premiere

Das Hessische Landestheater (HLT) hat am vergangenen Samstag im Schwanhof die Premiere des Stücks „Adams Äpfel“ gefeiert. Nachdem der gleichnamige Film von Anders Thomas Jensen bereits 2006 in die Kinos gekommen ist und Regisseur K.D. Schmidt 2008 eine Bühnenfassung in Oldenburg uraufführte, begeistert der skandinavische Humor nun auch das Marburger Publikum. Inszeniert wurde das Stück von Uta Eisold.

Schon beim Betreten des Theatersaales ahnt der Zuschauer: Dieses Stück wird einem den Kopf verdrehen. So führt von der Bühne ein Steg bis hinter das Publikum, wo ein weiteres kleines Podest aufgebaut ist.

Zu Beginn begrüßt Pfarrer Ivan (Stefan Gille) den Neuankömmling Adam (Sascha Oliver Bauer) und stellt ihm die anderen beiden Häftlinge vor, die er schon seit längerem zu resozialisieren versucht. Schnell wird deutlich, dass mit dem Neonazi Adam nicht zu spaßen ist. Etwas mehr Zeit benötigt der Zuschauer, um zu merken, dass der Pfarrer eben nicht der verständnisvolle Mensch mit großem Herzen ist. Vielmehr wird sehr bald klar, dass er in seiner eigenen Traumwelt lebt. Sein Schützling Gunnar ist alles andere als ein trockener Alkoholiker und auch Khalid, der wegen Tankstellenraub im Gefängnis saß, hat diese Tätigkeit längst wieder aufgenommen. Zu Beginn mag es noch nett erscheinen, wie Ivan die Augen vor der rauen Wahrheit verschließt. Doch nach und nach schleicht sich bei dem Zuschauer das Gefühl ein, dass dieser Pfarrer die größten Probleme von allen hat. Adam verfolgt derweil nicht nur stur sein Ziel, einen Apfelkuchen mit Obst aus dem Garten zu backen, sondern bemüht sich, Ivan die Augen zu öffnen – auch mit Schlägen. Der resigniert daraufhin, aber nun ist es Adam, dem dies alles nicht mehr gleichgültig ist.

Das Stück kommt mit wenigen Requisiten aus, die die Schauspieler jeweils selbst mit auf die Bühne bringen. Im Grunde ein guter Einfall, bei den sehr schnell aufeinander folgenden Szenen besteht jedoch die Gefahr, dass das Hin- und Herräumen den Zuschauer auch verwirrt.

„Adams Äpfel“ behandelt ernstzunehmende Themen wie Ausländerhass, Vergewaltigung, Gewalt und die Frage nach dem Glauben an Gott. Dennoch kommt der Zuschauer aus dem Lachen nicht heraus, was unter anderem den hervorragenden Darstellern zu verdanken ist.

Die „bösen“ Figuren haben trotz allem, was ihnen angelastet wird, liebenswerte Seiten und scheinen selbst Opfer zu sein. Die „guten“ weisen hingegen allerlei Macken auf, bei denen man manchmal erst überlegen muss, ob wirklich noch darüber gelacht werden darf. Alles in allem aber ist das ganze so grotesk, dass nichts anderes übrig bleibt, als es mit Humor zu nehmen.



marburg news

Theater mit Typen und Tiefgang

Adams Äpfel feierten Premiere 10.05.2009 - atn

Bei der Premiere von "Adams Äpfel" am Samstag (9. Mai) wimmelte es endlich einmal wieder von Schauspielern auf der Bühne des Theaters am Schwanhof (TaSch 1). Der gleichnamige Kinofilm des dänischen Drehbuchautors und Regisseurs Anders Thomas Jensen war in der Inszenierung von Uta Eisold zu sehen. "Adams Äpfel" ist ein sehr junges Werk, das es schnell in die Theater geschafft hat. 2005 kam es in die dänischen und 2006 in die deutschen Kinos. 2008 war es schon erstmals in der Bühnenfassung im Oldenburgischen Staatstheater zu sehen.

Jensen erschuf damit eine nicht immer verständliche - aber sehr unterhaltsame - Auseinandersetzung mit den Grenzen des menschlichen Daseins. Vordergründig geht es in dem Stück aber um eine recht einfache Geschichte. Ein Neonazi namens Adam kommt nach einem Knast-Aufenthalt in eine - wie auch immer geartete und organisierte - Anstalt. Über diese Anstalt herrscht Pfarrar Ivan, wie es zunächst scheint, mit endloser Güte und unerschütterlichem Verständnis für alles und jeden. Außer Ivan und dann Adam leben in diesem etwas schrägen Idyll ein Trinker names Gunnar und ein arabischer Tankstellenräuber namens Khalid.

Sascha Oliver Bauer als Adam durchschaut sehr bald, dass mit Ivan etwas nicht stimmt. Der schlechte Mensch Adam versucht also, den "Gutmenschen" Ivan herauszufordern. Der Pfarrer - gespielt von Stefan Gille - entpuppt sich während des Stücks in seinem fanatischen Gut-sein-Wollen als viel aggressiver als der Neuankömmling. Stefan Piskorz und Daniel Sempf spielten mit Gunnar und Khalid zwei sehr lustige oder zumindest belustigende Figuren. Wahrscheinlich hat das Publikum sich selbst gewundert, wie herzlich man über einen Vergewaltiger und einen Mann lachen kann, der mit einem Rucksack voller Kalaschnikows über die Bühne rennt und nach jeder Fliege schießt. Hintergrundinformationen zu Ivans psychischem und physischem Zustand gibt Doktor Kohlberg, der ja eigentlich gar nicht gern tratscht. Jürgen Helmut Keuchel war diese Rolle wie auf den Leib geschnitten. Sehr überzeugend spielte er den berufsbedingt vollkommen abgestumpften Mediziner, der - frisch aus dem OP kommend - Currywurst in sich hineinstopft und am Ende nur von Ivans unglaublicher Genesung umgehauen wird und das Feld räumt. Er betreut auch den alten Poul, den Thomas Streibig spielt. Poul hat in seinen jungen Jahren in einem Konzentrationslager gearbeitet und hat aufgrund seiner Schuld Angst vor dem Sterben. Auch Franziska Knetsch sah man an diesem Abend auf der Bühne. Als Sarah findet auch sie ihren Weg zu den verständnisvollen Ohren Ivans. Sie braucht Rat wegen einer ungewollten Schwangerschaft, denn sie fürchtet, ihr Kind könne nach ihrer jahrelangen Trinksucht nicht gesund zu Welt kommen. Ivan redet ihr natürlich gut zu, denn er hat selbst einen qietschfidelen Jungen. Es stellt sich jedoch heraus, dass Ivans Sohn Christopher an den Rollstuhl "gefesselt" ist und seine Frau sich deswegen das Leben genommen hat. "Adams Äpfel" erzählt das harte Schicksal eines sterbenskranken Pfarrers. Mit ausgestrecktem Zeigefinger spürt das Stück sämtliche Stereotypen und Grenzen des Denkens und Urteilens nach. Es bedient Klischees so vollkommen und rücksichtslos, dass man sich hinterher fragt, was übrig bleibt, wenn man nicht zwischen gut und böse trennt, nicht zwischen Gott und Teufel, nicht zwischen früher und jetzt.

Das Hessische Landestheater (HlTh) hat diesen Grenzgang mit sehr viel Engagement und schauspielerischem Können auf die Bühne gebracht. Bemerkenswert war vor allem die Ton-Erichtung von Ronald Strauß, die dem Stück einen bedeutenden Teil seiner Atmosphäre und Wirkung gegeben hat. Auch das sehr schlichte und wirkungsvolle Bühnenbild wurde effektvoll genutzt. Alle weiteren Gegenstände wurden von den Schauspielern im Spiel auf- und wieder abgebaut. Hinter den Zuschauern - und für Nackensteife deswegen auch schlecht sichtbar - stand der Apfelbaum. Er war mit einem langen Laufsteg über freie Plätze im Tasch 1 mit der Hauptbühne verbunden. Diese Konstellation erlaubte größere Beweglichkeit. Was jedoch hinter den Zuschauern passierte und dass man sich umzudrehen hatte, war leider manchmal erst zu spät zu bemerken. Aber vielleicht passt das zu dem gesamten Stück: Dass man sich für Details manchmal verrenken muss. Und was mit dem Hals anfängt, kann ja eventuell mit dem Geist weitergehen. "Adams Äpfel" regt zumindest dazu an. Und was es eigentlich mit dem Apfel auf sich hat, kann man beim eigenen Theaterbesuch herausfinden.

Anika Trebbin - 10.05.2009

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